Es ist guter Brauch in Rödermark, dass regelmäßig Schulklassen im Umfeld ihrer jeweiligen Unterrichtsgebäude ausschwärmen, um dort wild verstreuten Abfall zu sammeln. Traditionell unterstützen die Kommunalen Betriebe (KBR) solche Aktionen für mehr Sauberkeit, indem sie Hilfsmittel zur Verfügung stellen: Greifzangen, Handschuhe und Säcke, die nach den Einsätzen prallgefüllt abgeholt und zur Entsorgung auf den Betriebshof gebracht werden.
Insofern: Gelebter Alltag und eigentlich kein Anlass, groß darüber zu berichten, dass kürzlich wieder die 6. Klassen der Nell-Breuning-Schule in diese Art von Reinemachen eingespannt waren. Doch etwas Neues gab es dort gleichwohl zu bestaunen, nämlich eine gelungene Premiere, die nach Ansicht des kommissarischen KBR-Leiters Reiner Rebel das Zeug hat, sprichwörtlich „Schule zu machen“. Erstmals wurde das Müllsammeln rund um die NBS mit einführenden Worten von Frank Schemm kombiniert.
Was Pinguine und andere Meeresbewohner mit der weit entfernten Umweltverschmutzung zwischen Bulau und Breidert zu tun haben? Der Ingenieur aus Urberach, der sich in seiner Heimatstadt den guten Ruf eines nimmermüden Aufräumers erworben hat, erklärte dem Nachwuchs mit kurzen Video-Sequenzen, Fotos und kleinen Quiz-Einlagen sehr anschaulich, wie Plastikabfall über Bäche und Flüsse in die Weltmeere gelangt und wie sich dort riesige Müllinseln gebildet haben. Problemberge, die niemand ignorieren kann – denn die Folgen sind gravierend.
Tiere, die sich im Müll verheddern und manchmal qualvoll verenden. Mikroplastikteilchen, die in die Organismen und Nahrungsketten gelangen. Ein menschgemachtes Dilemma, das den Homo sapiens letztendlich selbst krank macht und seiner Lebensgrundlagen beraubt. Frank Schemm weiß, wovon er spricht, wenn er vor Schülergruppen referiert, ruhig und ohne erhobenen Zeigefinger, aber dennoch sehr eindringlich.
Er beschäftigt sich intensiv mit der Materie, seit er in seinem heimischen Umfeld als Plogger unterwegs ist. Als jemand, der in seiner Freizeit zwei Dinge kombiniert, Jogging und Müllbeseitigung, abgeleitet vom schwedischen Wort „plocka“, auf Deutsch: „aufsammeln“.
Rund 11.000 Kilogramm unüberlegt in die Landschaft geworfene Abfälle hat er im Laufe von fünf Jahren aus dem Rödermärker Stadtgebiet herausgefischt und manchmal auch an der Peripherie von Nachbarkommunen sauber gemacht. Denn Umweltschutz, das gibt der Vater zweier Kinder seinen jungen Zuhörern zu bedenken, kennt keine Stadt- und Ländergrenzen.
Schemm zeigt Fundstücke der besonderen Art: Getränkedosen, scheinbar aus den 1980er Jahren, die er ebenso im Wald entdeckt hat wie Getränkebeutel aus Plastik. Wie viele Generationen wohl kommen und gehen werden, bis sich all diese Müllobjekte zersetzt haben?
Die Sechstklässler haben zwar hin und wieder Konzentrationsprobleme, doch die Kernbotschaft des Vortrags registrieren sie sehr genau. Wenn die Menschheit mit ihrer Art von Konsumgier und Wegwerfmentalität so weiter macht wie in den zurückliegenden Jahrzehnten, dann… Schemm formuliert kein apokalyptisches Zerrbild. Doch Nach- und Umdenken mahnt er an. Das eigene Konsumverhalten hinterfragen und verändern, selbst aktiv werden, Zusammenhänge erkennen, Müll entfernen und – noch viel besser – erst gar nicht entstehen lassen, Recycling-Kreisläufe nutzen, Dinge häufiger reparieren statt neu anschaffen…
Die Jungen und Mädchen haben verstanden, was Sache ist, ehe sie ihre Runde mit den Müllsammelsäcken drehen. Doch wieviel vom Gesagten bleibt tatsächlich dauerhaft hängen? Was fruchtet nachhaltig? Welchen Stellenwert hat individuelles Maßhalten im gigantischen Getriebe der Weltwirtschaft?
Für Reiner Rebel und seine KBR-Kollegen steht fest: Der Ansatz „von unten“, wie ihn Schemm mit seinen Schulbesuchen praktiziert, kann Anstöße geben. Mehr direkte Ansprache in eben dieser Form für die Erwachsenen von morgen: Darum werde sich die Stadt in Kooperation mit der NBS und den örtlichen Grundschulen auch in Zukunft intensiv bemühen, versichert Rebel.